Grenzerfahrung

Erschienen am 12. Juni 2013

Roverunternehmen Grenzerfahrung (22.10-29.10)

grenz

  • Geschichte erleben
  • Eigene Grenzen ausloten
  • Wieder die Natur spüren
  • Einfach mal wieder Rover sein

 

Grenzerfahrung 2.0. Was sollte uns dieser Name sagen? Waren die körperlichen Grenzen gemeint? Oder doch die Ländergrenzen?

Ganz so genau war es den Teilnehmern bis zuletzt nicht, was ihnen der Name dieser Rover-Aktion zu versprechen vermag.

Sicher war nur, dass es ein Hike durch den Osten der Republik werden sollte und thematisch die ehemals innerdeutsche Grenze behandelt werden würde.

 

Dies versprach eine Woche lange Abenteuer, Zelten, Wandern, aber auch eine gewisse Portion Kultur und Geschichte.

Letztlich war die Neugierde doch größer und trotze der Unwissenheit bezüglich des Programmes, sodass fünf Pfadfinder aus Berghofen und zwei Rover aus Arnsberg und Husen, welche bereits von uns adoptiert wurden, sich die erste Woche der Herbstferien für die Grenzerfahrung 2.0 freihielten.

 

Die Zeit verstrich und wie es so ist, waren es plötzlich nur noch wenige Tage bis zum Start der Tour. Nun waren zumindest Uhrzeit und Ort des Treffens angekommen und die letzten Planungen konnten starten:

Doch hierbei lief es uns dann schon das erste Mal eiskalt den Rücken hinunter, denn um den Treffpunkt, den Bahnhof in Hünfeld (für all diejenigen, die diese „Weltmetropole“ nicht einsortieren können, es liegt bei Fulda) zu erreichen, musste bereits um 5.00 Uhr morgens die Bahn in Richtung Paderborn genommen werden.

Auch die Planung des Gepäcks sollte gut überlegt sein, denn alle Utensilien, die unter der Woche gebraucht wurden, mussten während der Wanderung im eigenen Rucksack getragen werden. Dazu gehörten natürlich nicht nur ein T-Shirt und eine Hose, denn man musste sich ja theoretisch auf jede Wetterlage vorbereitet sehen. Und auch die nächtliche Unterkunft musste in Form eines Zwei-Mann-Zeltes, welches nicht größer als eine Hundehütte ist, immer transportiert werden.

Im Nachhinein war man um jedes Kilo froh, das unter der magischen 15 Kg-Grenze lag, bis zu der ein Tragen noch halbwegs angenehm sein soll.

 

Trotz dieser unmenschlichen Uhrzeit schafften es alle pünktlich, den Dortmunder Hbf anzusteuern und die geplante Bahn zu nehmen.

Doch wie das Leben so spielt, gibt es immer Faktoren, die nicht beeinflusst werden können. Der Faktor Deutsche Bahn war jedoch zum Glück mit eingerechnet. Trotzdem war eine Stunde Warten in Paderborn unangenehm, was durch die seltsamen Öffnungszeiten des Paderborner McDonalds nicht gerade angenehmer gestaltet wurde.

Nach einer langen Bahnfahrt, während der man schon die ersten Mitteilnehmer traf, wurden wir mit einer herzhaften Mahlzeit, einer Spezial-Dönertasche, der Rovertasche, begrüßt.

Dies war zugleich der Startschuss für die Grenzerfahrung.

Wir wurden samt Gepäck zum Point Alpha, der ehemals östlichsten NATO-Besatzungsstelle und heutigen Gedenkstätte und Museum, gechartert. Dies würde für die ersten zwei Nächte unsere Heimat sein. Neben unserem Stamm waren auch noch Pfadfinder aus Herdecke-Ende und Lippborg bei der Grenzerfahrung angemeldet, sodass ungefähr 30 Pfadfinder den Weg nach Geisa zum Point-Alpha angetreten haben.

 

Nach Aufbau der Zelte fing dann auch das Programm an, welches das Ziel hatte, uns die Thematik näher zu bringen. Unter anderem führten wir in den ersten zwei Tagen Zeitzeugengespräche, wurden durch die Museumsgebäude und durch das benachbarte Grenzgebiet geführt.

Denn auch wenn dieses historische Ereignis gar nicht einmal so weit in der Vergangenheit zurück liegt, erlebte der Großteil der Teilnehmer die Teilung Deutschlands nicht, und auch im Geschichtsunterricht ist dies kein geläufiges Thema. Somit erfuhren wir viele neue und wissenswerte Dinge über die DDR und die Menschen im Grenzgebiet.

Trotzdem waren wir doch alle froh, nach diesen zwei Tagen „Kultur-Pur“ endlich unseren Hike entlang der ehemaligen Grenze zu beginnen.

Das Gepäck war nach dem zweitägigen Aufenthalt also gut in den Rucksäcken verteilt und verpackt, sodass der ersten Tages-Etappe von ca. 20 km nichts mehr im Wege stehen sollte.

 

Vielleicht mag der ein oder andere nun stutzen:

„20 km in einem Tag? Das ist doch kein Wandern oder Spazierengehen!“

Aber jeder, der schon einmal 15 kg und mehr in einem Rucksack getragen hat, weiß, dass dies kein Laufen unter normalen Bedingungen ist.

Spätestens jetzt machte sich nämlich jedes gesparte Kilo bemerkbar. Und dieser Effekt wurde bei jedem Schritt, jeder Stunde und jedem Tag nur noch größer.

 

Die folgenden vier Tage, welche für die Streckenbewältigung von ca. 80 km vorgesehen waren, verliefen alle sehr ähnlich:

Tagsüber musste mit Hilfe von Karte, Kompass und Google Maps der Weg zum Tagesziel herausgefunden werden. Aber trotzdem warteten jeden Tag wieder andere Aufgaben auf uns, wie z.B. die Überquerung von Kuhwiesen und Bächen, die mehr oder minder elegant gemeistert wurden, wobei gesagt werden muss, dass jeder „Fehltritt“ zu einer Auflockerung der Stimmung beitrug… 🙂

 

Vielleicht bedingt durch die feste Aufteilung innerhalb der Stämme musste bei anderen Gruppen leider immer wieder festgestellt werden, dass sie sich wohl mit einem Virus infiziert haben, welcher sich in übertrieben hohem Konkurrenzverhalten zu den anderen Gruppen äußerte und sich scheinbar der Druck aufbaute, jeden Tag als erster am Zielort ankommen zu müssen. Dafür wurden auch wohlwollend Personalverlust innerhalb der Gruppe in Kauf genommen.

Glücklicherweise blieb die Berghofer Gruppe von dem Virus verschont 🙂

 

Am Tagesziel angekommen konnte man sich darauf verlassen, dass das Orga-Team auf uns wartet und bereits Küchenzelt und Jurte aufgebaut hatte.

Jedoch wurden wir immer wieder anders von ihnen überrascht, z.B. mit Sektempfang oder Waffeln mit heißen Kirschen, sodass der Einlauf ins Nachtlager immer wieder ein Highlight war.

Auch das Essen war immer hervorragend und man kann guten Gewissens sagen, dass unser Englisches Frühstück oder unser Grillbuffet dem einer Sterneküche in nichts nachstand.

 

Einzig eine Nacht musste selbstständig überbrückt werden, um den verwöhnten Haufen mal wieder zu fordern und der Bedeutung eines „richtigen“ Hikes zumindest für eine Nacht gerecht zu werden. Aber auch diese Nacht wurde von uns zusammen mit den Herdeckern in der örtlichen freiwilligen Feuerwehrwache und mit Tütensuppen (natürlich ein „vollwertiger Mahlzeiten-Ersatz“, nicht wahr Torben? ;-))bewältigt.

 

Nach vier anstrengenden Tagen und einem letzten, beinahe unbezwingbaren Berg war es dann soweit:

Das Wochenziel, das Kloster auf dem Hülfensberg bei Eschwege, war erreicht.

Jeder war unglaublich stolz, die Strecke bewältigt zu haben, aber auch schon ein wenig enttäuscht, weil einem bewusst wurde, dass dies die letzte Station auf dem Weg der Grenzerfahrung werden sollte.

 

Die letzten zwei Tage verbrachten wir unter anderem mit Bruder Maximilian, der uns von seinem Leben im Kloster erzählte, und Reflexionen, besonders innerhalb der Stammesgruppe.

Denn es war erstaunlich, dass man die Leute, die man seit langer Zeit kennt, mit denen man schon viele Gruppenstunden und Fahrten gemacht hat und zu seinen Freunden zählt, durch eine Wanderung, was gelinde gesagt für Außenstehende nicht gerade spannend klingt, nochmal umso vieles besser kennen lernt. Man war auf die Anwesenheit und die Fähigkeiten jedes einzelnen angewiesen, egal, wie unscheinbar der Beitrag zunächst gewirkt haben mag. Man hat sich gegenseitig um ein vielfaches mehr zu schätzen und zu respektieren gelernt. Denn die Grenzen, die einem Jeden in dieser Woche aufgezeigt worden sind, sowohl in geographischer, als auch in physischer und psychischer Hinsicht, konnten nur als Gruppe gemeistert werden.

 

Aus diesem Grund möchte diese ganz besondere Rover-Veranstaltung auf gar keinen Fall missen, denn diese Erfahrung hat mich mit meinen Mitpfadfindern enger zusammen geschweißt, als es in einer normalen Gruppenstunde möglich ist.

DANKE für dieses tolle Erlebnis!

 

Florian Walter